Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Jahresfest-Predigten

Predigt zum 177. Jahresfest am 11. Oktober 2014

Kirchenrat Hans-Martin Steffe, Karlsruhe

Ester 5, 1 – 8


Liebe Gemeinde, liebe Schwestern vom Haus Bethlehem,

„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“

So ein Lied, das Frieder Gutscher geschrieben hat. Und das passt gut zur fortlaufenden Bibellese aus dem Buch Ester. Und ich finde auch zu Ihnen, den Schwestern vom Haus Bethlehem.
„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“
Und darum habe ich das Kapitel 5 aus der fortlaufenden Bibellese für den heutigen Gottesdienst als Predigttext genommen.

Zum Hintergrund: Es geht um eine junge jüdische Frau: Ester. Ester ist Königin von Persien geworden. Von ihrer Herkunft her war sie ein unbekanntes jüdisches Mädchen. Sie hat weder Vater noch Mutter. So wird es von ihr erzählt. Eines der Waisenkinder. Das ist bedrückende Wirklichkeit für viele Flüchtlingskinder. Gesorgt hat für sie ein Verwandter ihres Vaters. Der Jude Mordechai, ein Angestellter am persischen Königshof. Der ist ihr zum Pflegevater geworden. Der hat sich rührend um sie gekümmert. Das können Sie nachlesen in den vorhergehenden Kapiteln. Als sie ein Jahr lang für eine besondere Erziehung in einem Frauenhaus lebte, kam Mordechai täglich und hat sich erkundigt, ob es ihr gut geht.

Aber jetzt, als Ester Königin von Persien geworden ist, da hat er sie aufgefordert, sie soll ihren Mann, den König Ahasveros von Persien inständig bitten, dass er seine Zustimmung zu einem Gesetz zurücknehmen soll. Darin war beschlossen, dass alle Juden im persischen Reich getötet werden sollen. So wie das Haman, der Günstling und Stellvertreter des Königs wollte.
Zunächst wollte Ester der Aufforderung ihres Pflegevaters Mordechai nicht nachkommen. Zu groß war ihre Angst um ihr eigenes Leben. Mordechai hat aber nicht nachgelassen. Letztlich würde sie selbst nicht mit dem Leben davon kommen bei der geplanten Auslöschung der Juden. Und überhaupt, lässt Mordechai sie fragen: Bist du nicht gerade zu dieser Zeit zu königlichen Würden gekommen, um dein Volk zu retten? Ester hat den Auftrag angenommen und als ihre Bestimmung akzeptiert. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie dabei umkommt.
Sie hat die anderen Juden dringend gebeten für ihre Audienz beim König drei Tage zu fasten und fastete mit ihren Bediensteten ebenfalls.

Hören wir aus dem Buch Ester Kapitel 5 die Verse 1–8
1 Und am dritten Tage zog sich Ester königlich an und trat in den inneren Hof am Palast des Königs gegenüber dem Palast des Königs. Und der König saß auf seinem königlichen Thron im königlichen Saale gegenüber dem Tor des Palastes.
2 Und als der König die Königin Ester im Hofe stehen sah, fand sie Gnade vor seinen Augen. Und der König streckte das goldene Zepter in seiner Hand gegen Ester aus. Da trat Ester herzu und rührte die Spitze des Zepters an.
3 Da sprach der König zu ihr: Was hast du, Ester, Königin? Und was begehrst du? Auch die Hälfte des Königreichs soll dir gegeben werden.
4 Ester sprach: Gefällt es dem König, so komme der König mit Haman heute zu dem Mahl, das ich bereitet habe.
5 Der König sprach: Eilt und holt Haman, damit geschehe, was Ester gesagt hat! Als nun der König und Haman zu dem Mahl kamen, das Ester bereitet hatte,
6 sprach der König zu Ester, als er Wein getrunken hatte: Was bittest du, Ester? Es soll dir gegeben werden. Und was begehrst du? Wäre es auch die Hälfte des Königreichs, es soll geschehen.
7 Da antwortete Ester: Meine Bitte und mein Begehren ist:
8 Hab ich Gnade gefunden vor dem König und gefällt es dem König, meine Bitte zu gewähren und zu tun nach meinem Begehren, so komme der König mit Haman zu dem Mahl, das ich für sie bereiten will. Morgen will ich dann tun, was der König gesagt hat.

Wir hören: Ester hat sich für den Auftritt beim König vorbereitet. Ester hat sich königlich angezogen. Ein königliches Kleid einer Königin. Würde strahlt das aus. Ich bin wertvoll.

„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“

Das ist die erste Frage, die mich aus der Bibelgeschichte anspringt: Was ist deine Würde? „Du bist ein Königskind“, stimmt das? Wie klingt das in Ihren Ohren? Ermutigend? Gibt das Kraft für den aufrechten Gang, Stärke, mich dem Leben zu stellen? Oder klingt das überheblich? „Du bist ein Königskind.“ Spüren Sie dem nach, wie das in Ihnen klingt. Ich höre: du hast Würde. Lass dir die von niemandem absprechen. Lass dich nicht klein machen, weder von denen, die dich überheblich behandeln aber auch nicht von deinen inneren Stimmen aus der Kindheit: Wer bist du schon? Das kannst du doch nicht. Lass mich mal machen. Aber nein:

„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“

Haben Sie die Lesung aus Epheser 4 noch im Ohr. Da heißt es auch: „Lebt der Berufung würdig, mit der ihr berufen seid.“
Wir haben Würde: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bild.“ Gott will sich in unserem Leben abbilden. Und durch die Taufe sind wir berufen, „dass Christus in uns Gestalt gewinne“. Und der Apostel Paulus schreibt im Galaterbrief: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.“ Das verbindet uns alle, die wir an Jesus Christus glauben.

Ester hat ihre Würde als Königin in ihrer Kleidung zum Ausdruck gebracht: „Und am dritten Tag zog sich Ester königlich an.“
Das machen Sie doch auch, liebe Schwestern vom Haus Bethlehem mit ihrer Schwesternkleidung. Sie ziehen sich jeden Morgen königlich an. Das bringt ihre besondere Würde zum Ausdruck. Mich erinnern die Kleider von Diakonissen an meine Zeit im Kindergarten mit Diakonissen als Erzieherinnen. Meine Achtung vor Diakonissen kommt aus dieser frühen Kindheit.

Eine zweite Frage bringt mir unsere Geschichte von Ester: Wie steht es in deinem Leben mit Mut und Demut? Bestimmen die dich? Dein Auftreten und dein Handeln? Mutig und demütig ist Ester dem König gegenüber getreten. Zum einen: Sie anerkennt Ahasveros als König. Sie akzeptiert die verlangten Gesten des Gehorsams gegenüber dem König und berührt den gegen sie ausgestreckten goldenen Zepter des Königs. Der ausgestreckte Zepter war vom König her bereits das Zeichen, dass sie am Leben bleiben darf und ihr Anliegen vortragen kann.

Der König von Persien ist ein absoluter Alleinherrscher. Selbst seine Frauen sind sein Eigentum. Er konnte mit ihnen – wie mit allen Untertanen – verfahren, wie er wollte. Einen eigenen Willen hatte auch Ester nicht zu äußern, obwohl sie die erste Frau im Königreich war. Dagegen hat sich Ester nicht aufgelehnt. Es ging ihr nicht um sich selbst. Nicht um ihre Anerkennung. Die bezog sie von woanders her, von Gott. Darin war sie demütig. Ester hat König Ahasveros sehr beeindruckt. Sie ist ihm gegenüber getreten als Königin, mutig und demütig. In ihrer Demut war sie auch mutig. Mutig und demütig. Hingegeben an ihre Bestimmung und ihren Auftrag. Sie ist nicht Königin für sich selbst gewesen. Sie hat ihre Möglichkeiten voll genutzt.
Mut und Demut gehören zusammen. Demut ohne Mut ist kriecherisch. Mut ohne Demut ist überheblich.

Die Frage des Königs ist direkt: Was ist dein Anliegen? Was willst du erreichen? Also: Kein Drumherum-Reden. Doch Ester lässt sich nicht von den großen Worten beeindrucken, dass sie nämlich bis zur Hälfte des Königreichs erhalten kann. Sie bleibt in ihrem Verhalten demütig: Wenn es dem König gefällt. Ihr Anliegen aber benennt sie mutig: Heute mögen der König und sein Günstling Haman zum Essen kommen, das sie vorbereitet hat. Das veranlasst der König auf der Stelle. Bei diesem Essen nennt sie dasselbe Anliegen dann nochmals. Eine Einladung zu einem zweiten Essen verbindet sie mit dem Versprechen, dass sie bei diesem Essen dann das eigentliche Anliegen benennen werde.
Beim eigentlichen Festessen wird sie dann ihr Anliegen nennen: Ihr Volk der Juden soll am Leben bleiben.

Da spricht mich eine dritte Frage aus unserer Geschichte an: Was ist deine Berufung, deine Bestimmung? Wofür bist du auf der Welt? Mordechai hat Ester ausrichten lassen, dass er überzeugt ist: Ester ist als junge jüdische Frau deshalb gerade zur jetzigen Zeit Königin, damit sie ihr Volk vor dem Tod bewahrt. Dafür soll sie sich beim König verwenden und einsetzen, selbst wenn sie dabei ihr Leben verlieren sollte. Ester setzt sich für die Rettung ihres Volks ein mit ihrem eigenen Leben. Damit ist sie ein Hinweis auf den einen, der sein Leben wirklich in den Tod gegeben hat, um uns zu retten vor dem ewigen Tod, vor der Trennung von Gott. Ester weist mit ihrem Handeln auf Jesus hin. Der hat seine Bestimmung ganz und gar gelebt. Das bestätigt die Stimme vom Himmel: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Und jetzt nochmals die Frage: Was ist deine Berufung? Lebst du sie? Hast du deine Möglichkeiten genutzt? Hast du Gott und dem Leben gedient?
Zur heutigen Bibellese gehört noch eine Fortsetzung. Da geht es um den Günstling des Königs, um Hamann. Der ist das Gegenmodell zu Ester. Der spinnt seine eigenen Pläne. Sich selbst will er groß machen und das Volk der Juden mit dem verhassten Mordechai, dem Pflegevater der Ester, will er umbringen. Mordechai steht nämlich vor Hamann nicht auf. Er macht keine Bücklinge vor ihm. Am Ende endet Hamann an dem überdimensionalen Galgen, den er für Mordechai hat aufstellen lassen. Spitzbübisch wird das erzählt. Lächerlich gemacht wird die lächerliche Lebenseinstellung des Hamann. Einer, der für sich selbst lebt, lebt nicht würdig und folgt nicht seiner Berufung. Wer nur Geld schachert, wer auf Kosten anderer lebt, wer mit dreht an der Spirale des Todes, der bringt sich selbst zu Fall, früher oder später.

„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“

Bei Ester ist abzulesen, was es heißt, seine Bestimmung als Königskind zu leben. Von Gott gewürdigt und geliebt sein. Das innerlich bejahen und annehmen. Die Möglichkeiten nutzen, die mir zugespielt werden. Mich einsetzen für das Leben und gegen seine Vernichtung. Der König aller Könige hat das getan. Jesus. In seiner Hingabe, die ihn dann wirklich das Leben gekostet hat.
Das kleine Büchlein Ester erzählt davon, dass Haman nicht das letzte Wort haben wird. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat der Auferstandene, der König aller Könige, Jesus.
Dem dürfen wir uns anvertrauen im Leben und im Sterben. An den sollen wir uns halten. Der hat den Tod und den Teufel besiegt. Aber auch die Sünde, das Leben ohne Vertrauen auf Gott, das Leben, das um sich selbst kreist und nicht seine Bestimmung lebt.
Wer sich Jesus anvertraut, darf sich hingeben für das Leben und von der großen Bestimmung leben:

„Du bist ein Königskind, dessen Wege heilig sind,
dessen Würde ewig besteht, in dem der König lebt.“

Mutiger und demütiger möchte ich das glauben und danach leben. Und immer wieder fragen: Wozu bin ich bestimmt? Womit hat Gott mich begabt? Welche Verantwortung hat er mir anvertraut? Diene ich Gott und dem Leben mit meinen Möglichkeiten? Das wäre für mich schlimm, wenn ich einmal erkennen müsste: Du hättest mehr machen können aus deinen Möglichkeiten. Oder: Du bist um dich selbst gekreist. Ängstlichkeit oder Überheblichkeit haben verhindert, dass du deine Berufung lebst. Was ist deine Berufung? Was die von jeder und jedem Einzelnen?
Für mich, jetzt noch, wo ich Leiter der Missionarischen Diensten bin. Was soll ich bewegen? Wofür mich einsetzen? Wem widersprechen?
Und für Sie als Schwesternschaft: Was ist jetzt dran? Auch wenn es nicht danach aussieht, dass Sie noch einmal einen großen Wurf machen werden. Trotzdem: Was hat Gott mit Ihnen vor? Wofür sollen Sie sich weiterhin einsetzte? Was loslassen? Was anpacken? Was fordert Ihre Berufung von Ihnen in der jetzigen Zeit?

Ich ermutige Sie:
Leben Sie Ihre Berufung mit Würde mutig und demütig!
Amen.

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