Evangelisches Diakonissenhaus Bethlehem

Jahresfest-Predigten

Predigt zum 186. Jahresfest am 14. Oktober 2023

Pfarrer Siegfried Weber, Karlsruhe

2. Korinther 5, 11 – 20


"Weil wir nun wissen, dass der Herr zu fürchten ist, suchen wir Menschen zu gewinnen ... Denn die Liebe Christi drängt uns. … 
Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. So sind wir nun Botschafter an Christi statt, denn Gott ermahnt durch uns; so bitten wir nun an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott!"

Liebe Festgemeinde,

in der gestrigen Ausgabe der BNN findet sich eine Doppelseite zum Thema „Fan sein.“ Wir erfahren darin, was einen Fan ausmacht: Herz und Leidenschaft – und vor allem mit Begeisterung.

Auch wenn ich Paulus nicht als Fan bezeichnen würde: Herz, Leidenschaft, Begeisterung – das hat er! Wofür? Ganz klar: Für Jesus Christus! Und für den Auftrag, den er von ihm bekommen hat.

Manchmal frage ich mich, ob uns das nicht verloren gegangen ist. In unseren Kirchen und Gemeinden. Aber auch ganz persönlich. Vielleicht liegt es daran, dass gerade nicht die Zeit der großen Aufbrüche ist, im Gegenteil: Meist werden unsere Kreise kleiner – und die Menschen, die offen sind für den Glauben an Jesus Christus, begegnen uns nicht in Massen. Das macht müde  manchmal fühle ich mich wie ein Fußballer, dessen Mannschaft 5:0 hinten liegt. Da werden die Beine schwer und du siehst nicht mehr, wofür du noch laufen und kämpfen sollst. Da gerät dann das Ziel aus dem Blick. Ich bin mir nicht sicher, ob die Situation zur Zeit des Paulus wirklich besser war. Gemessen an der Einwohnerzahl von Korinth war die christliche Gemeinde ein verschwindend kleiner Haufen. Dazu noch ganz schön zerstritten, was in unserem Abschnitt ja auch ein Thema ist.

Aber Paulus ist kein bisschen müde! Paulus ist mit ganzem Herzen dabei, voll Leidenschaft und Begeisterung. Und ich frage heute mit Euch: Wie ist das möglich? Was treibt ihn an? Was motiviert ihn? Ich frage das, weil ich mir erhoffe, dass es auch uns die Müdigkeit aus Kopf und Herz vertreibt – und neue Leidenschaft und Begeisterung weckt. Ich entdecke in diesem Abschnitt zwei Impulse:

1. Aus der wunderbaren Botschaft kommt ein großer Auftrag.

„Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.“ 

Der Apostel Paulus bedient sich hier einer sehr juristischen Sprache. Da läuft die Gerichtsverhandlung. Der Angeklagte hat jede Menge Geld veruntreut. Er soll zahlen, ansonsten ist es aus mit ihm. Aber er kann nicht zahlen. Es ist hoffnungslos, aussichtslos.

So steht es um uns. Noch sind wir nicht im Gerichtssaal, aber an der Anklageschrift wird schon eine ganze Weile geschrieben, von unserer Geburt bis zu unserem Tod. Die Maßstäbe sind streng, deshalb wird diese Liste lang und länger. Und es ist schnell klar: Das können wir nicht bezahlen. Keiner. Da geht es um Lieblosigkeit, um Versagen, um Verletzungen, um Schuld. Da ist so viel passiert, was nicht einfach wieder gut zu machen ist – und manchmal spüren wir das ja. Wir können das nicht bezahlen. Es ist aussichtslos.
Aber auf einmal kommt da einer rein mit dem großen Aktenkoffer in der Hand. Er öffnet ihn – und den Zuschauern stockt der Atem: Er ist voller Geld. Damit kann die Schuld und sogar die Strafe des Angeklagten bezahlt werden. Was für eine Wendung! Der, der überhaupt keine Schuld hatte, hat alles bezahlt! Das heißt Versöhnung: Jesus ist gekommen und hat bezahlt. Für dich. Für mich. Für alle Menschen dieser Welt. Und weil da eben Geld und Gold nicht ausgereicht haben, deshalb hat er mit seinem Leben bezahlt. Das reicht für uns alle. Die Versöhnung steht!

Ganz entscheidender Teil dieser Botschaft ist nun allerdings: So wunderbar und vollkommen ausreichend das ist, was Gott da in Jesus gemacht hat: Es wird uns nicht übergestülpt. Gott nimmt uns so ernst, dass er mich und dich und jeden Einzelnen fragt: Willst du, dass das auch für dich gilt? 

Genau hier schlägt das Herz des Apostels Paulus. Er hat doch selbst erlebt, wie befreiend es ist, zu Jesus Christus zu gehören, in diese Versöhnung mit hineingenommen zu sein. Das sollen doch andere auch erleben! Das treibt ihn an. „Wir suchen Menschen zu gewinnen“, schreibt er. „So sind wir nun Botschafter an Christi statt. So bitten wir an Christi statt: Lasst euch versöhnen mit Gott.“

Ihr Lieben: Das ist und bleibt der zentrale Auftrag der Nachfolgerinnen und Nachfolger von Jesus: Menschen zu gewinnen suchen. Botschafter sein an Christi statt. Zu bitten: Lass dich versöhnen mit Gott.

Wir können die Versöhnung nicht machen und wir können nicht machen, dass Menschen das annehmen. Aber wir sind gesandt in diese Welt, um genau das hineinzutragen!

Dabei geht es nicht um eine abstrakte theologische Aussage. Wir sehen doch selbst, wie viel Schuld, wie viel Streit und Unversöhnlichkeit, wie viel Unfrieden da ist. Wie viele Ängste da sind. Was wäre das, wenn diese Botschaft von der Versöhnung direkt in unser Leben rein sprechen würde! Wenn du endlich loslassen könntest, was dich schon so lange plagt. Wenn Du deine Sorgen wirklich auf ihn werfen könntest. Wenn diese Ängste nicht mehr da wären, sondern die Gewissheit: Nichts kann mich von Gott und seiner Liebe trennen. Nicht einmal das Sterben.

Paulus ist sicher: Wenn Menschen sich in die Versöhnung mit Gott hineinnehmen lassen, dann wird etwas anders. Nicht so, dass es keine Probleme mehr gibt. Aber eben doch so, dass wir erleben können: Mein Herr Jesus Christus ist da. Im Guten und im Schweren. Ich bin geborgen und getragen.

Seit einigen Jahren machen wir Alpha-Glaubenskurse. Für Menschen, die eine Sehnsucht haben, dass etwas anders wird in ihrem Leben. Immer wieder durfte ich dabei sein, wenn Menschen mit einem Mal erkannt haben, wie befreiend diese Versöhnung mit Gott ist. Wie sie sich auswirkt – in den Alltag hinein, ins Lebensgefühl. Das ist tief bewegend! 

Ihr Lieben: Ich möchte Euch so gerne einladen und ermutigen, jeden Tag neu selbst aus dieser Versöhnung zu leben. Denn wie sonst wollen wir das weitertragen? Wir sind nicht der Apostel Paulus. Vielleicht bist du kein großer Redner. Aber wenn du selbst erlebst, wie Jesus dir gut tut, wie er dir Halt gibt, was hindert dich, davon auch anderen zu erzählen? Wenn du im Rückblick auf dein Leben manche gute Führung Gottes siehst, Spuren seines Wirkens in deinem Leben – wäre es nicht gut, das auch mal auszusprechen? 

Ihr merkt ja, ich bin etwas erkältet. Wenn das im Gottesdienst sichtbar oder hörbar ist, kriege ich bei der Verabschiedung am Ausgang regelmäßig die tollsten Rezepte und Pillen angeboten. Aus gutem Grund: Diese Menschen haben erlebt, dass ihnen das geholfen hat. Und sie wollen gerne, dass es mir auch hilft.

Hier sind wir jetzt beim zweiten, was ich bei Paulus entdecke, was ihn antreibt, was ihn mit ganzer Kraft und Leidenschaft für Jesus leben lässt:

2. Die Liebe Christi drängt uns.

Paulus musste in Korinth von Menschen aus der Gemeinde ganz schön Kritik einstecken. Vielleicht deshalb hinterfragt er sich immer wieder: Warum mache ich das eigentlich? Was treibt mich an? 

Hier sagt er es in einem kurzen Satz: Die Liebe Christi drängt uns. Das ist seine Motivation. Die Liebe Christi. Er hat diese Liebe erlebt. Hat erlebt, wie der auferstandene Jesus ihn angesprochen und beauftragt hat. Das will er weitertragen. 

Nicht verbissen. Nicht mit Druck. Aber eben doch mit ganzem Herzen. Mit Liebe. Das schreibt der Paulus, der in 1. Korinther 13 gesagt hat: Ohne Liebe ist alles nichts.

Das war damals schon wichtig und ist heute mindestens genauso wichtig. Denn die Menschen spüren, ob Liebe drin ist oder nicht. Und wir können es drehen und wenden, wie wir wollen: Liebe ist die einzige Kraft, die wirklich etwas zum Guten verändert. 

In unseren Tagen hat „Missionieren“ einen ganz schlechten Beigeschmack. Vielleicht deshalb, weil da bei viel Eifer oft so wenig Liebe dabei ist. Gemeinden haben oft wenig Anziehungskraft. Vielleicht, weil oft wenig Liebe zu spüren ist.

Lasst uns noch viel mehr um diese Liebe beten! Liebe, die sich darin zeigt, dass wir andern mit Achtung und Wertschätzung begegnen. Die sich zeigt in offenen Augen und Ohren für die Not. Die sich zeigt in helfenden Händen. In guten Worten.

Die Liebe Christi drängt uns. So sind Werke wie das Diakonissenhaus Bethlehem entstanden. Dass da eine Henriette Frommel spürte: „Ich weiß, was getan werden muss. Ich will es auch tun.“

Die Liebe Christi drängt uns. Wenn wir in dieser Welt Licht und Salz sein wollen, als Einzelne oder als Gemeinden, dann wird es ohne diese Liebe nicht gehen. Nein, es ist nicht garantiert, dass dann sozusagen automatisch große Werke oder Bewegungen wachsen. Es ist und bleibt Sache unseres Herrn, was daraus entsteht. Aber nur diese Liebe Christi hat die Kraft wirklich etwas zum Guten zu verändern.

Immer wieder zitiere ich den Rechtsanwalt und späteren Kirchenvater Tertullian, der um 200 nach Christus lebte und der überlieferte, was sie in Rom über die Christen sagten: „Seht, wie haben sie einander so lieb.“ 

Wir kriegen diese Liebe nur, wenn wir uns in die Liebe Christi hineinnehmen lassen. Sozusagen die Verbindung zur Liebestankstelle haben. Dann können wir in dieser Liebe leben, uns von ihr bestimmen lassen – und diese Liebe auch in unsere Umgebung hineintragen.

Am Anfang habe ich überlegt, ob Paulus – und vielleicht auch ich selbst – Fan von Jesus bin. Jetzt weiß ich: Jesus will keine Fans. Er will Menschen, die seine wunderbare Botschaft von der Versöhnung mit Herz, Leidenschaft und Begeisterung in diese Welt hineintragen. Bewegt von der Liebe Christi. Da will ich dabei sein.

Amen.

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